Dreitägige Hochgebirgswanderung im Schweizer Appenzeller Land.

„So, wir fahren jetzt in den Nebel hinein“ klingt emotionslos der Kabinenführer der Bergbahn, als
diese gen Gipfelstation Hoher Kasten surrt. Nach wochenlanger Schönwetterperiode gibt es bei
einigen der 23 Teilnehmer lange Gesichter. So steht es nicht im Prospekt! Aber von Anfang an:

Donnerstag 22. Juni: Hervorragend informiert und vorbereitet von unseren Wanderführern Daniel
Fischer, Jojo Defrancesco und Klaus Graser, treffen wir uns alle am Donnerstagabend im Hirschen
des österreichischen Hohenems zur ersten Übernachtung. Ein heftiges Gewitter während des
Abendessens und der nächtliche Dauerregen, lassen für morgen nichts Gutes erahnen…

Freitag 23. Juni: Und tatsächlich: Die morgendliche Fahrt in die Schweiz beschäftigt die
Scheibenwischer unserer Autos und oben angekommen auf dem eidgenössischen Berg, beginnt
unsere Wanderung zunächst im Nieselregen. Wir aber sind gut ausgerüstet und die Rücksäcke
beinhalten alles für die nächsten zwei Bergübernachtungen. Allmählich lässt der Regen nach und
wir kommen auf dem Auf-und Ab der schmalen Bergkämme gut voran. Die Wege sind an den
schwierigen Stellen sehr gut mit Edelstahlseilen gesichert. Schweizer Qualität halt, „tiptop, odr ?“
wie sie hierzulande sagen. Der Nebel verzieht sich, aber die Sonne zeigt sich nur ab und zu und
gibt kurze Ausblicke auf die grandiose Bergwelt des Altmann-Gebiets, das wir im Uhrzeigersinn
umrunden wollen. Oben liegt für die Jahreszeit noch recht viel Schnee. Auffallend die schroffen
Bergnadeln, die steil, fast bedrohlich emporragen. Unten der grünblaue Säntisersee. Wir erreichen
zur Mittagszeit die auf 2000 Meter liegende Zwinglipass-Hütte, wo es eine warme Suppe gibt und
uns neugierige Bergdohlen umkreisen. Das Haus verfügt über keinen Lastenaufzug und gehört der
Schweizer Sektion Toggenburg. Morgen kommen 150 Wanderer und bringen mit mehrfachen Auf-
und Abstiegen 8 Tonnen Lebensmittel und alles was man hier so braucht vom Tal nach oben.
Danach gibt es einen zünftigen Schweizer Hüttenabend. Den würden wir natürlich auch gerne
miterleben, müssen aber weiter…

Der hier vorherrschende Granit ist äußerst rutschsicher. Dennoch muss man sich bei jedem Schritt
auf den Untergrund konzentrieren. Die Wanderstöcke geben zusätzliche Sicherheit. Die Hände
aber aus den Schlaufen, damit man sich bei einem Fehltritt schnell trennen kann und nicht noch
über die Stöcke fällt oder sich einen „Skidaumen“ einhandelt. Das alles lernen wir von unseren
zertifizierten Wanderführern. Plötzlich quert uns in 50 Metern Entfernung eine Steinbock-Herde mit
niedlichem Nachwuchs, die sich von uns nicht stören lässt. Wir stapfen nun im anstrengenden
Zick-Zack auf langen Schneefeldern hoch über die steilen Hänge des 2432 Meter hohen Altmann.
Gämsen auf den schroffen, fernen Höhen. Murmeltiere warnen mit schrillen Pfiffen ihre
Artgenossen, lassen uns aber bis auf wenige Meter heran. Dann der gefährliche Abstieg im fast
senkrechten, 50 Meter hohen und engen Fels-Kamin, in dem ein kalter Wind von unten einem
sogar die Mütze vom Kopf bläst. Hier will jeder Tritt wohl überlegt sein. Die Wanderstöcke kommen
in den Rucksack, denn sie sind hier hinderlich. Handschuhe an und beide Hände ans Stahlseil! Ein
falscher Tritt würde einen Domino-Effekt mit dem verheerenden Absturz einiger Personen
auslösen. Endlich erreichen wir alle wohlbehalten, die auf 2124 Metern tief unter uns liegende
Rotsteinpass-Hütte. Der Wirt- dank hervorragender Organisation und Information von Daniel- brät
auch schon unsere Schnitzel an. Ein gemeinsames Gruppenfoto, und ein Geburtstagsständchen
für Michaela vor der Hütte. Die kreisenden, flachen Behälterchen und Fläschchen mit
hochprozentigen Inhalten schwäbischer Streuobstwiesen sind sehr gefragt und runden kulinarisch
den heutigen Erfolg ab, der sich wahrlich sehen lassen kann: 16,7 Kilometer, 8 ½ Stunden und
1200 Höhenmeter stecken in unseren Waden. Abends geht es zünftig zu. Ja, die Schweiz ist nicht
billig, was aber gastronomisch geboten wird ist von sehr guter Qualität und wird mit Freundlichkeit
präsentiert. Dann Abliegen im Massenlager. Wer jetzt keine guten Ohrstöpsel dabei hat, für den
wird die Nacht sehr sehr lang und der tut sich am anderen Tag recht schwer…

Und dieser Samstag, 24. Juni beginnt mit 2 Grad Celsius, (immerhin Plus!), erheblichem Wind und
einer Steinbockherde vor der Hütte. 600 Höhenmeter Abstieg durch Schneefelder zur Meglisalp,
wo es frischgebackene Nusskipferl gibt mit Kuhglockengeläut und einem Schweizer Jodler. Jetzt
traut sich auch die Sonne heraus und es wird wärmer. Sobald sich aber Wolken davorschieben,
kühlt noch der Wind. Wir erklimmen im Zick-Zack einen Grat und auf der anderen Seite geht es
wieder steil und mit Seilen gesichert, hinunter zur Messmer- Hütte, wo das Mittagessen auf uns
wartet. Gemüsesuppe, Zürcher-Rinder-Geschnetzeltes mit Rösti (was auch sonst?), Salat und
einen Espresso, freundlich dargereicht, geben den richtigen, tiefen Schwerpunkt für den finalen
Anstieg zur Schäfler-Hütte. Diese thront stolz auf schmalem, sonnenverwöhntem Grat auf 1925
Metern in hoher Ferne. 300 Höhenmeter noch, aber Kilometer auf schmalem, felsigem Pfad mit
einigen haarigen Schlüsselstellen, an denen links der Fels senkrecht hoch geht und rechts steil
und tief abfällt. Bei „Gegenverkehr“ wird es manchmal bedrohlich eng….

Schließlich erreichen wir um 17:20 Uhr, nach 15.9 Kilometern 9 1/2 Stunden und über 800
Höhenmeter Anstieg, die in der Abendsonne liegende Hütte und liegen uns alle in den Armen. Was
für ein Tag, was für ein Alpenpanorama, welch herrlich warmes Spät-Nachmittagslicht! Vor uns,
tief unten der riesige Bodensee mit seinem lividen Blau, kontrastierend mit dem schattigen
Flaschengrün der ihn umgebenden Wälder und dem saftig-satten Grün der Schweizer Almwiesen
und Bergseen. Daneben die dunklen, steil und stolz aufragenden Felsnadeln um den erhabenen
Altmann mit ausgedehnten, perlweißen Schneefeldern unter dem azurblauen Himmel. Unten das
flache Tal, wo sich der junge Rhein seinen Weg bahnt. Dazwischen immer wieder das leuchtende
Rot-Weiß der im Abendwind wehenden Schweizer Flaggen. Das alles beherrscht der
majestätische Säntis, der die anderen Berge – wie ein stolzer und umsorgender Vater seine Kinder
– um sich schart. Die wärmende Abendsonne vor der Hütte harmoniert prächtig mit ein paar kühlen
Bieren. Als nach einem sehr guten Abendessen alle in ihren Lagern verschwunden sind, kehrt
endlich Ruhe ein und auf den Fluren hört man nur noch ein zartes, sonores Sägen…

Der Sonntag 25. Juni beginnt mit einem grandiosen Sonnenaufgang und Frühstück im Freien. Die
imposanten Schweizer Bergketten überlagern sich am Horizont. Jetzt kann man sich endlich von
der unteren Hälfte seiner Wanderhose und der Jacke trennen. Frisch eingecremt vorbei an der
Ebenalpe, geht es durch die Bärenhöhle und einer Felsenkirche hindurch zum Äscher. Die ersten
Meter dorthin führen direkt eng an der Felswand entlang. Diese Hütte klebt wie ein Adlerhorst
regelrecht mitten in einer leicht überhängenden, hunderte Meter hohen Wand hoch über dem
malerischen Seealpsee. Die Hütte ist nicht nur spektakulär gelegen, sondern auch eines der
ältesten Gasthäuser der Schweiz und eines der „Top Ten Must See“ der Alpen. Entsprechend gut
besucht ist sie auch. Wir genehmigen uns auf der sonnenbeschienenen Terrasse ein Getränk,
während über uns unzählige, farbenfrohe Gleitschirme kreisen. Was für eine herrliche Szenerie!
Wie schnell diese vorbei sein könnte, zeigt sich, als ein armdicker Ast aus bestimmt hundert
Metern Höhe genau zwischen zwei unserer Damen heruntersaust, der einen den Wanderstock aus
der Hand schlägt und der anderen an der Wanderbluse entlangschrammt. Das hätte übel enden
können! Der Abstieg ist auch nicht ungefährlich und daher seilgesichert. Es wird per Schild
ausdrücklich empfohlen, Kinder an die Leine zu nehmen. Jetzt ist Kaiserwetter und bald haben wir
endlich wieder ebenen Grund unter den heißen Füßen. Ein köstliches Mittagessen im
Baumschatten des Gasthauses Frohe Aussicht, mit rühriger Dankesrede an unsere drei Guides.
Danach die letzten Kilometer bis zur Talstation in Brülisau, dann ist unsere Wandertour zu Ende.
Schnell noch Ausloggen aus der Park-App (ja, so parkiert man in der Schweiz!), herzliche
Verabschiedungen und die Heimfahrt kann beginnen. Heute ging es in 5 ½ Stunden 14 Kilometer
weit und 1050 Meter hinab.

Was für wunderschöne, unfallfreie drei Tage! Umsorgt und hervorragend betreut von unseren drei
Guides Daniel, Jojo und Klaus. Immerhin haben zwei von denen die Strecke im Herbst
abgewandert! Die können also nicht nur Alb, die können auch Alpen! Herzlichen Dank Euch für die
tolle Vorbereitung und Durchführung dieser Wanderung. Und wir alle wissen ja: Nach der Tour ist
vor der Tour. In diesem Sinne freuen wir uns auf nächstes Jahr.

Ganz ganz lieben Dank an Erwin Fessler für diesen überragenden Bericht :-)